zurück

Ziel Erde

(Target Earth von Ubar Luther)

Ich war früher einmal ein Arzt.

Heute gehöre ich zur Kaste des Paga. Das ist eine freundlichere Art, meinen Zustand zu beschreiben. Ich bin ein Trinker. Ich verbringe meine Tage und Nächte in billigen Pagahöhlen und ertränke meine Erinnerungen mit Alkohol und Kajirae.

Aber ich wache jeden Morgen mit Kopfschmerzen auf. Und ich habe immer noch meine Erinnerungen, die Erinnerungen an meine Fehler der Vergangenheit.

Ich war einmal verliebt. Wir planten, verbunden zu werden und wollten eine große Familie. Doch kurze Zeit später fand ich heraus, dass sie mich betrogen hatte und einen anderen Mann hinter meinem Rücken liebte. Sie hatte nur mein Geld und den Status meiner Kaste gewollt. Sie war aus niederer Kaste, eine Parfümeurin und begehrte den Ausstieg der Kaste, der mit einer Verbindung verbunden wäre. Ihr anderer Geliebter war ebenfalls aus niederer Kaste, ein Metallarbeiter. Er wusste was sie tat und war damit einverstanden.

Ich war sehr, sehr betrunken in dieser Nacht.

Ich stolperte nach Hause, ein Ahn vor der Morgendämmerung. Auf dem Heimweg beging ich den größten Fehler meines Lebens.

Ich sah ein junges Mädchen, vielleicht zehn oder elf Jahre alt, die einen Korb trug. Dann sah ich einen Rarius auf einem Hochtharlarion. Der Krieger eilte die Straße lang, sich ständig nach hinten umblickend, als würde er verfolgt. Er sah das Mädchen nicht.

Ich erstarrte in Panik, genau wie das junge, hübsche Mädchen. Der Tharlarion rammte das Mädchen zur Seite, was der Reiter jedoch nicht bemerkte. Dann sah ich zwei weitere Tharlarion die den ersten Reiter verfolgte. Ich lief zu dem Mädchen. Ihr Körper war zerschmettert und blutig. Ich zog sie an den Rand eines Gebäudes, um sie vor den anderen Reitern zu schützen. Sie ritten vorbei, ohne uns eines Blicks zu würdigen.

Das Mädchen befand sich an der Schwelle zum Tod. Ihr kleiner, zerschmetterter Körper war nicht robust genug für so eine Verletzung. Sogar ein erwachsener Mann wäre nach so einer Kollision ernsthaft verletzt. Ich hatte keine andere Wahl als zu versuchen, sie zu retten. Die Eitelkeit eines Mannes. Ich hatte kein Recht, sie in meinem betrunkenen Zustand zu berühren. Es war verbrecherisch von mir, das zu tun.

Sie starb etwa zehn Ehn später. Sie starb, weil ich betrunken war und sie nicht richtig behandelt habe. Ich habe sie getötet, wie wenn ich sie erstochen hätte. Im Rückblick hätte ich sie retten können, wenn ich nüchtern gewesen wäre. Das ist unbestreitbar.

Ich wurde für meine grobe Fahrlässigkeit bestraft. Erst wurde mein Vermögen und Reichtum an die Familie des Kindes gegeben. Das tat ich freiwillig. Dann wurde ich aus meiner Kaste ausgestoßen. Auch das war gerecht. Ich hätte sie verlassen, wenn ich nicht ausgestoßen worden wäre. Nur meine Reputation und vorherige Exzellenz hatten mich vor einem schlimmeren Schicksal wie Hinrichtung, Haft oder Versklavung bewahrt.

Also trat ich der Kaste des Paga bei. Ich trug immer ein paar Botas Paga mit mir, wenn ich reiste. Ich verbrachte viele Ahn in den billigsten Tavernen. Ich konnte es mir nicht leisten, mehr als ein paar Tarskstücke auszugeben. Drei Monate vergingen in einem verschwommenen, dunstigen Nebel.

Dann kam das Angebot.

"Wollen Sie der reichste Mann der Welt sein?"

Ich lachte ihn aus, wie nach einem dummen Witz. Er musste noch betrunkener sein als ich. Doch der ernste Ausdruck in seinem Gesicht, der umsichtige und bestimmte Ton in seiner Stimme sowie seine ruhige, sachliche Art überzeugten mich von seiner Ernsthaftigkeit und Aufrichtigkeit.

Er würde mir nicht mehr erklären, bis ich wieder nüchtern war. Ich begleitete ihn aus der Taverne und zu einer nahegelegenen Insula. Zuvor hatte er ein Zimmer gemietet und nahm mich mit sich. Er ließ mich einige Ahn schlafen.

Nachdem ich aufwachte, badete ich und zog eine neue Tunika an, die er für mich gekauft hatte. Er bezahlte mir auch ein Frühstück und Bazitee. Er sprach in dieser Zeit sehr wenig sondern wartete darauf, dass ich wieder volle Kontrolle über meine Sinne hatte. Ich war seit Monaten nicht mehr so nüchtern.

Wir saßen auf der Couch in der Insula und er begann mit seinem Angebot.

Er sagte mir, dass es viele Menschen gäbe, die meine medizinischen Kenntnisse benötigten, Menschen, die mich äußerst gut bezahlen würde. Viele von ihnen litten an leicht zu heilenden Krankheiten. Sie würden mich mit einem Labor und jeder notwendigen Ausrüstung ausstatten. Die Arbeit würde auch ausgedehnte Reisen erfordern.

Ich sagte ihm, dass ich nicht mehr der Kaste angehöre und ihm nicht helfen könnte.

Er lächelte und sagte, das sei kein Problem. Wohin ich ging, wäre die Kaste nicht das Problem. Ich dachte dann an eines der barbarischen Länder, an das Brachland, Torvaldsland und den Dschungel in der Nähe von Schendi. Ich hatte weder von einem Ausbruch der Pest noch von erheblichen medizinischen Problemen irgendwo gehört.

Ich war fasziniert, aber immer noch skeptisch.

Dann nannte er mir die Lage des medizinischen Katastrophengebiets.

"Erde".

Die Erde, Schwesterplanet von Gor. Eine Welt der technologischen Schrecken, schwacher Männer und bedürftiger Frauen. Eine Welt voller Gifte und Tod. Eine Welt am Rande der Selbstvernichtung. Eine Welt ohne Heimsteine, Kasten oder Ehre. Eine Welt, deren Existenz vor den niederen Kasten verborgen wurde. Warum sollte irgendjemand dorthin wollen? Ich war ein Trinker, kein Verrückter.

Meine Ablehnung kam schnell.

Seine Reaktion war, sie einfach zu ignorieren und mit der Erläuterung der Details seines Plans fortzufahren. Seine Überzeugungskraft berührte meine Seele und ich begann sie zu überdenken.

Er sagte, die Erde sei fixiert, besessen auf den Tod. Sie fürchten den Tod und ignorieren deshalb die Zukunft. Sie leben für das Jetzt und interessieren sich nicht für die Konsequenzen ihrer Handlungen für die Zukunft. Sie verschmutzen die Welt für ihren Luxus ohne sich um die Folgen für die Umwelt zu sorgen. Sie kümmern sich mehr um ihr individuelles Wohlergehen als das ihrer Gesellschaft als Ganzes. Sie achten nicht auf die Zukunft ihrer Kinder. Ihre Technologie ist drauf ausgerichtet entweder ihr Leben zu verlängern oder ihr Leben einfacher zu machen, damit sie die begrenzte Zeit die sie haben genießen können. Sie machen alles bis zum Exzess. Sie möchten, dass ihre kurzen Leben hell leuchten, ohne sich darum zu kümmern, was dadurch in dieser Zeit alles verbrannt wird.

Das Stabilisierungsserum und die Heilung anderer Krankheiten würde ihnen die Angst vor dem Tod nehmen. Wenn das passiert, würde sich die Erde in die Zukunft orientieren. Sie würden ihren Planeten bereinigen und ihre egoistischen Wünsche vergessen. Ihre Gesellschaft würde sich einer Revolution unterziehen, die sie zum Besseren verändern würde. Sie würden sich von der globalen Katastrophe entfernen.

Alles das ergab Sinn. Die Rettung der Erde konnte mir die Erlösung bringen.

Im besten Fall würde ich nur ein Jahr auf der Erde verbringen. Ich würde meine medizinischen Heilmittel und Seren auf der Erde patentieren. Ich würde für meine Anstrengungen ganz gut bezahlt werden. Ich könnte dann das Geld zurück nach Gor nehmen und damit weitere medizinische Forschung finanzieren. Ich würde nach Gor als Held zurückkehren, als Retter der Erde.

Ich stimmte seinem Plan eifrig zu und besiegelte damit mein Schicksal.

Ich würde meine Entscheidung zutiefst bereuen.

Ich sammelte meine medizinische Bibliothek zusammen und bestellte bestimmte Geräte von meinem neuen Arbeitgeber. Innerhalb einer Hand hatte ich alles, was ich brauchte. Wir trafen ein schwarzes Raumschiff, eine große stählerne Scheibe, direkt außerhalb der Mauern der Stadt. Wir bestiegen das Schiff und man zeigte mir mein Zimmer. Bevor ich mich in mein Zimmer zurückzog sah ich aus der Beobachtungsblende ein letztes Mal auf Gor.

Die Reise dauerte mehrere Tage. Ich verbrachte die Zeit damit, Notizen für meine Arbeit zu erstellen. Ich war sehr aufgeregt und begierig zu beginnen. In meinem Eifer versäumte ich, mehr Informationen zu meinem Arbeitgeber und seinen Plänen zu erhalten. Ich nahm an, der Plan hätte die Zustimmung der Priesterkönige. Ich dachte, mein Arbeitgeber würde sich wirklich um die Erde sorgen. Ich glaubte, ich hätte nichts zu befürchten.

Alle meine Annahmen waren falsch.

Als wir auf der Erde landeten, war das ein ziemlicher Schock. Die Luft war schwer zu atmen und die Schwerkraft zog mich nach unten und machte mich lethargisch. Die Sehenswürdigkeiten waren unglaublich. Wir fuhren direkt zu einem kleinen Gebäude aus Stahl und Glas. Ich packte meine Ausrüstung aus und richtete mein Labor ein. Es war mir nicht erlaubt, das Gebäude zu verlassen, bis sie mich über die Erde unterrichtet hatten.

Sie gaben mir einen Schnellkurs in "Englisch", eine der wichtigsten Sprachen der Erde. Sie zeigten mir, wie man einen "Computer" verwendet. Wenn ich nicht über die Erde lernte, schuf ich die nötigen Daten für die medizinischen Patente, die ich benötigte. Das Gebäude hatte glücklicherweise goreanischen Luxus wie Paga, Bosk und Sa-Tarna-Brot. Es gab sogar Kajirae, um meinen Freuden zu dienen. Sie alle hatten das gleiche Brandzeichen, eine Kette und eine Klaue. Ich hatte niemals zuvor so ein Brandzeichen gesehen und nahm an, es wäre einfach ein Zeichen meines Arbeitgebers für seine Sklavinnen auf der Erde. Das war tatsächlich der Fall, allerdings kannte ich zu dem Zeitpunkt meinen echten Arbeitgeber noch nicht.

Die Hände vergingen und ich passte mich schnell meiner neuen Umgebung an. Entsprechend meinem Naturell lernte ich schnell. Ich hatte meine Arbeit an den Patenten fast abgeschlossen und alles auf dem Computer abgelegt, diesem wundervollen Gerät zur Informationsspeicherung. Mein Arbeitgeber war äußerst zufrieden mit dem Fortschritt und ich war glücklich.

Dann erfuhr ich die Wahrheit.

Natürlich war das ein Fehler. Sie wollten nicht, dass ich die Wahrheit erfuhr. Sie wollten, dass ich ihre Lügen akzeptierte. Und ich hatte das gerne getan. Aber dann hörte ich etwas, das nicht für meine Ohren bestimmt war. Ich erfuhr die wahren Gründe meiner Anwesenheit. Und ich wusste, mein Leben war in Gefahr. Meine Nützlichkeit war begrenzt. Ich hatte bestenfalls ein paar Monate übrig.

Ich musste handeln. Ich musste mich retten. Ich musste die Erde retten. Sogar Gor war gefährdet.

Aber was konnte ich alleine tun gegen diese Verschwörung, diese Kabale von Wahnsinnigen?

Die Kurii waren hinter diesem Komplott. Ich hatte Gerüchte über ihre Existenz auf Gor gehört. Sie waren geheimnisvolle Fremde, die versuchten Gor zu beherrschen. Sie sahen nicht aus wie Menschen. Sie waren eine Art Monster. Sie hatten jetzt beschlossen, zuerst die Erde zu erobern. Sie würden meine medizinischen Patente nutzen, um eine Fülle von Geld zu gewinnen, so viel Geld, dass sie die wirtschaftliche Kontrolle über die Welt bekommen würden. Das Stabilisierungsserum alleine würde sie obszön reich machen. Auf der Erde ist Geld Macht. Die menschlichen Verbündeten der Kurii wären die Retter und Helden der Menschheit. Niemand würde ihre dunkleren Motive vermuten.

Es wäre eine unblutige Invasion, ein wirtschaftlicher Coup.

Und es würde aller Wahrscheinlichkeit nach funktionieren.

Was konnte ich tun? Ich war kein Rarius. Ich war ein Feigling. Und sehr dumm.

Die Zerstörung meiner Arbeit würde nicht ausreichen, sie aufzuhalten. Sie würden mich einfach töten und jemand anderen finden, ihnen zu helfen. Ich konnte die Erde nicht warnen, man würde mich für verrückt erklären. Ich konnte auch niemanden auf Gor erreichen. Ich konnte die Priesterkönige nicht erreichen. Ich war auf mich selbst gestellt. Ich war ein dünner Zweig vor einer herannahenden Flutwelle.

Ich saß in meinem Zimmer und erwog eine Unzahl bizarrer Lösungen. Meine Arbeit verlangsamte sich fast bis zum Stillstand während der nächsten drei Tage. Glücklicherweise war das einfach zu vertuschen. Mein Arbeitgeber hatte keinen Grund zu vermuten, dass ich die Wahrheit kannte.

Die Hoffnungslosigkeit schlug zu und ich wollte verzweifelt wieder in eine Bota verschwinden.

Dann fiel es mir ein...

Ein Blitz der Erleuchtung. Ich wusste genau, wie ich im Alleingang die Kurii und ihre Verbündeten besiegen konnte. Ich eilte, meine Arbeit zu beenden, was ich vor meinem Arbeitgeber verbarg. Ich beendete sie vier Tage früher als geplant aber sagte ihnen, dass ich sechs Tage mehr benötigen würde. Sie akzeptierten gerne meine Schätzung.

Dann meldete ich mich an meinem Computer an und suchte im Internet. Ich stellte eine lange Liste von E-Mail-Adressen zusammen. Ich druckte sie aus und versteckte sie.

Am nächsten Tag schickte ich die Patentdateien an alle Adressen auf meiner Liste. Universitäten, Krankenhäuser, Behörden, Zeitschriften und viele mehr. Die Dateien enthielten alle Patentinformationen zu allen Medikamenten. Ich wollte, dass die Patente öffentlich werden, damit niemand die Industrie monopolisieren kann. Die Kurii würden mit meiner Arbeit nichts verdienen. Ich zerstörte alle meine Unterlagen, nachdem die E-Mails verschickt waren.

Ich würde für das, was ich getan hatte getötet werden, aber die Erlösung war mein.

Ich hatte gesühnt für meinen damaligen Fehler mit dem kleinen Kind. Ich hatte zwei Welten gerettet.

Ich warte jetzt, dass sie entdecken, was ich getan habe. Ich erwarte meine Hinrichtung. Ich werde mich ihr stellen wie ein Mann.

Selbst ein kastenloser Goreaner kann Ehre besitzen.

(Übersetzung von Fiasco)

zurück